TU Berlin: Wenn das Gas im Tanker schwappt

Verladesystem für den Brennstoff bei hohem Seegang in Sicht

Erdgas ist heute bereits nach Kohle und Erdöl der drittgrößte Energielieferant weltweit. Seine Bedeutung steigt ständig, zum einen, weil es der umweltfreundlichste der fossilen Brennstoffe ist und zum anderen, weil die weltweiten Erdgasvorräte größer eingeschätzt werden, als zum Beispiel die Erdölvorräte. Die größten und bisher weitgehend ungenutzten Gasfelder befinden sich „offshore“, also auf hoher See in großen Wassertiefen. Eines der Hauptprobleme ist der Transport des Gases zum Festland. Der Bereich Meerestechnik an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Günther Clauss forscht zurzeit daran, diesen Transport sicherer, schneller und effektiver zu gestalten.

Gewonnen wird das Gas auf einer schwimmenden Erdgasförderplattform. „Danach wird das Gas auf minus 162°C abgekühlt, verflüssigt und dabei um das rund 600-Fache verdichtet. Anschließend wird es in sogenannte LNG-Tanker (Liquid Natural Gas) verladen und zum Festland transportiert“, erläutert Professor Clauss. Problematisch ist vor allem das Verladen selbst.

Was sich so einfach anhört, stellt eine enorme technische Her-ausforderung dar: Von einem schwimmenden Objekt müssen -komplett kälteisoliert – rund 100.000 Tonnen Flüssiggas in ein zweites, unabhängig schwimmendes Objekt verladen werden. Ein Vorgang, der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und auch bei hohem Seegang effizient durchführbar sein muss. Zusammen mit ihren Industriepartnern – Nexans Deutschland, IMPaC Offshore Engineering und BRUGG Rohrsysteme – hat die Gruppe um Günther Clauss in einem Vorgängerprojekt ein effizientes, innovatives Verladesystem mit flexiblen, doppelwandigen Edelstahlwellrohren mit einem großen Innendurchmesser von 16 Zoll entwickelt.

In dem neuen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit insgesamt 2,5 Millionen Euro – 500.000 Euro beträgt der TU-Anteil – geförderten Projekt SOTLL (Sideways Offshore Transfer for LNG and LPG) und einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren, wird ein Verladesystem entwickelt, das auch bei hohem Seegang zuverlässig und sicher arbeitet und von allen Tankertypen ohne zusätzlichen Umrüstungsaufwand angesteuert werden kann. „Dabei untersuchen wir, in welchem Winkel man die Förder-plattform in den Seegang stellen muss, damit der Tanker seitlich im Windschatten, also in ruhigerer See, anlegen kann.“ Dafür stehen dem Fachgebiet Meerestechnik ein 120 mal acht Meter großes Seegangsbecken und präzise nachgebaute Modelle der Tanker und Plattformen zur Verfügung. „Wir haben den unglaublichen Vorteil, dass wir dort jeden beliebigen Seegang erzeugen und endlos wiederholen können“, so Clauss. „Auf diese Weise können wir zum einen für jeden Seegang den optimalen Winkel der Plattform und des Tankers berechnen und überprüfen und zum anderen auch Notfallszenarien analysieren.“

Nicht nur, dass sich Tanker und Plattform unabhängig voneinander bewegen, in den teilgefüllten Erdgastanks kommt es zusätzlich zu dem sogenannten „Sloshing“. Dabei schwappt das verflüssigte Gas aufgrund der freien Flüssigkeitsoberflächen hin und her – ähnlich der Suppe auf einem übervollen Suppenteller. Wenn allerdings 100.000 Tonnen anfangen zu schwappen, kann das erhebliche zusätzliche Auswirkungen auf die Bewegungen der schwimmenden Objekte haben. „All diese Effekte werden von uns bei der numerischen Analyse der Hydrodynamik des gesamten Systems genauestens berechnet“, erläutert Professor Clauss. Ziel ist ein Modell, das für jeden Seegang, für jeden Tanker- und Plattformtyp die genauen Positionen zueinander vorgibt und berechnet, bis zu welchem Seegang und bei welchem Wetter noch sicher verladen werden kann.
Katharina Jung

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